PRESSESCHAU


Einen sehr schönen Artikel schrieb Bettina Schack in der NRZ am 04.06.2013 - Foto: Markus Joosten
Wir sagen artig "DANKESCHÖÖÖN"!

Mit „Wickie“ und „Delilah“ am Tresen

Fast jeder Trend bringt einen ebenso starken Gegen-Trend hervor. Techno war die Blütezeit des Indie-Rocks, die schönsten Schlager wurden in den Beat-Zeiten geschrieben. Und heute, wo die Kommunikation an den Tischen in Kneipen und Restaurant nicht mehr linear verläuft, weil sich irgendjemand immer um sein Smartphone kümmern muss, erlebt man, wie Menschen zu Dutzenden auf eine einzige Beamer-Projektion gucken und gemeinsam dieselben Worte singen.

Volker Bellingröhr und Lutz Berner gehören zu den Musikern, die sich dieser neu entdeckten Freude am geselligen Beisammensein annehmen. Als die Kneipensinger sind sie seit Anfang März zwischen Hünxe und Duisburg unterwegs.


Es fing an, als Volker Bellingröhr mit Pont Neuf in Franken war. Das Trio wurde eingeladen, in einem kleinen Dorf beim „Wirtshaussingen“ mitzumachen. Für ihn stand es sofort fest: „Das machen wir auch“. Wenn auch nicht so. „Das waren Lagerfeuerlieder und bayerische Schmankerl aus dem Liederbuch“, erklärt Bellingröhr. Für das Kneipensingen, das er sich gemeinsam mit Lutz Berner, der seit 17 Jahren Gitarre spielt, vorstellt, braucht es mehr: Zwei Gitarren, einen Beamer, Tresen, Zapfhahn und ein Song-Repertoire, das die beiden für jedes Konzert neu zusammenstellen: „Es gibt noch so viele tolle Lieder“.

Was gesungen wird, geben die beiden klar und „undemokratisch“ vor. Dafür werden die Texte auch nicht einfach nur auf die weiße Leinwand geworfen, sondern grafisch vorbereitet. Ohne Show und Aha-Erlebnisse geht halt heute nichts. Und es macht ja auch Spaß, einen Tiger zu sehen und zu raten, dass als nächstes „Delilah“ gesungen wird, über den Anblick der Wellen zu rätseln und bei der Einblendung eines Wikingerhelms die eigenen Gedanken und Erinnerungen Funken sprühen zu lassen, weil man nun die Titelmusik von „Wickie“ erst pfeift und dann singt.

„Vorne klingt es immer gut“
Es sind übrigens gerade diese Titel, mit denen die Kneipensinger auch die „Jungs“ mitziehen. Denn eigentlich ist diese Form des „Rudelsingens“ eher weiblich dominiert.

„Ich kann nicht singen“. Jahrzehntelang verlor das eigene Singen an Bedeutung, man überließ es den Profis im Radio und auf der Schallplatte. Doch ausgerechnet jetzt, wo Castingshows das Singen zu einem bloßen Leistungssport degradiert haben, wird es als wohltuend und stressfrei wiederentdeckt. „Wir ermutigen jeden, mitzusingen“, so Volker Bellingröhr. „Und tatsächlich klingt das Ergebnis der gesamten Gruppen für uns vorne immer richtig gut“.

Doch gelten für ein gelungenes Klangerlebnis auch Regeln: Die Texte dürfen nicht zu schnell sein. Das hebelt Kneipenklassiker wie „Whiskey in the Jar“ für das Kneipensingen überraschend aus. Auf der anderen Seite gewinnen deutschsprachige Titel neue Qualitäten. „Ich bin mit englischer Musik groß geworden“, so Lutz Berner, „Deutsches wurde gar nicht ernst genommen. Aber Volker hat mich überzeugt, dass eine fifty-fifty-Mischung gefragt ist. Und sie macht auch Spaß.“

Und was ist deutsch? „Im Wagen vor mir“ natürlich, von Männern und Frauen mit verteilten Rollen gesungen. Und „Ein sich’rer Colt ist so gut wie Gold“ ist auch ein deutscher Text. Wenn auch „Bonanza“. Wieder so ein tolles „Jungens-Ding“.

Apropos Wilder Westen. Die Kneipensänger feierten Premiere im Tacheles in Hünxe, feierten in Spellen mit One 4 the Road in den Mai, laden am 15. Juni um 20 Uhr im Mattlerhof in Duisburg-Röttgersbach zum mitsingen ein. Einen besonderen Wunsch hegt Volker Bellingröhr im Geheimen: „Ich würde zu gern mal ein Kneipensingen im Yukon Saloon machen“.

Von Bettina Schack


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